Neue Möglichkeiten für Wiedergutmachungseinbürgerungen – FAQ zum § 15 Staatsangehörigkeitsgesetz
Mit Inkrafttreten des 4. Staatsbürgerschaftsänderungsgesetzes am 20. August 2021 gibt es weitere Möglichkeiten zum Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft im Rahmen der Wiedergutmachung. Begünstig sind nun auch NS-Verfolgte und deren Nachkommen, die durch die Verfolgung Benachteiligungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit erlitten haben, aber nicht in den Anwendungsbereich des Art. 116 II Grundgesetz (GG) fallen. In diesen FAQ erläutern wir Ihnen, welche positiven Auswirkungen dies für Sie oder auch Ihre Nachkommen möglicherweise haben kann.
1. Worum geht es im neuen § 15 StAG vom 20. August 2021 und welchen Nutzen hat die Vorschrift?
Das neue Gesetz erweitert den Anspruch auf Wiedererlangung der deutschen Staatsbürgerschaft aus Gründen der Wiedergutmachung. Begünstigt sind Personen (bzw. deren Abkömmlinge), die aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben oder die ihnen verweigert wurde. Obwohl Art. 116 II GG die Wiedereinbürgerung für NS-Verfolgte zulässt, wurden viele Anträge abgelehnt. Das lag daran, weil der Verlust durch andere – nicht durch Art. 116 II GG geregelte Fallkonstellationen – eingetreten war oder ein Wiedereinbürgerungsanspruch gar nicht erst erworben werden konnte. Nach dem neuen § 15 StAG haben auch die davon betroffenen Personen als auch deren Abkömmlinge einen Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft („Wiedergutmachungseinbürgerung“).
2. Was ist der Unterschied zwischen § 15 StAG und Art. 116 Abs. 2 GG?
15 StAG begünstigt Personen, die nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 116 II GG fallen, jedoch einem vergleichbaren Unrechtsgehalt unterliegen. Artikel 116 II GG erfasst Personen, denen aufgrund zweier Gesetze aus „politischen, rassischen oder religiösen Gründen“ die Staatsangehörigkeit „entzogen“ wurde. Ein solcher Verlust ist entweder gemäß § 2 der 11. Verordnung zur Durchführung des Reichsbürgergesetzes vom 25. November 1941 eingetreten, die für alle deutschen Staatsbürger jüdischen Glaubens galt, und die bei Inkrafttreten der Verordnung oder später im Ausland wohnhaft waren. Oder aber der Verlust trat ein gemäß dem Gesetz über den Widerruf der Einbürgerung und der Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 14. Juli 1933. Letztere Einzelentziehungsfälle wurden im Reichsanzeiger veröffentlicht.
Viele Menschen haben jedoch aus anderen Gründen ihre Staatsbürgerschaft verloren. Sie verließen beispielsweise Deutschland und nahmen eine andere Staatsangehörigkeit vor Inkrafttreten der Verordnungen an. Es gibt weitere Fallkonstellationen, die einem Rechtsanspruch nach Art. 116 II GG entgegenstehen, jedoch einen vergleichbaren Unrechtsgehalt haben (siehe dazu Frage 3). Durch die Einführung des §15 StAG soll genau dieser Unrechtsgehalt im Rahmen der Wiedergutmachung beseitigt werden. Somit können Sie oder Ihr Vorfahre nun gemäß §15 StAG einen Anspruch auf Wiedererlangung der deutschen Staatsangehörigkeit haben, auch wenn Ihre Staatsangehörigkeit oder die Ihres Vorfahren nicht als „entzogen“ nach Artikel 116 Absatz 2 galt, sondern eben aus anderen Gründen verloren ging bzw. die deutsche Staatsbürgerschaft gar nicht erst erworben werden konnte oder durfte.
3. Wer kann nach § 15 StAG eingebürgert werden?
Man kann das neue Gesetz als eine Art Erweiterung von Artikel 116 II GG betrachten. Mit §15 StAG sollen auch die staatsangehörigkeitsrechtlichen Nachteile beseitigt werden und auch Personen und deren Nachfahren begünstigt werden, die während der NS-Zeit zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen verfolgt wurden.
Die berechtigten Kategorien betreffen folgende Personen und ihre Nachkommen, die:
- die deutsche Staatsangehörigkeit vor dem 26. Februar 1955 verloren haben, insbesondere wenn dieses durch Einbürgerung auf Antrag in einem anderen Staat erfolgte;
- im Zeitraum vom 30. Januar 1933 bis 8. Mai 1945 vom Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Heirat, Legitimation oder Kollektiveinbürgerung von Deutschen rechtlich ausgeschlossen waren;
- die Einbürgerung entweder auf Antrag nicht erteilt wurde oder generell ausgeschlossen war, sofern eine Einbürgerung bei einem Antrag möglich gewesen wäre; oder,
- ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland (gemäß der am 31.12.1937 gegebenen Grenzen Deutschlands) verloren oder aufgegeben haben, sofern der Aufenthalt bereits vor dem 30.1.1933 bestand. War die Person (bzw. der Vorfahre) ein Kind, dann kann der Aufenthalt auch nach dem 30.1.1933 begründet worden sein.
4. Ich oder mein Vorfahre hatten nie die deutsche Staatsbürgerschaft. Kann ich mich nach § 15 StAG bewerben?
Ja, das ist möglich. Das neue Gesetz beseitigt die teils unfairen Ergebnisse trotz gleichen Unrechtsgehalts, mit denen viele Antragsteller nach Artikel 116 Absatz 2 konfrontiert waren. Viele Personen waren nicht in der Lage, die Staatsbürgerschaft zu erwerben, weil ihnen
- die Einbürgerung nicht gewährt wurde oder
- sie von der Einbürgerung ausgeschlossen wurden oder
- sie ihren gewöhnlichen Wohnsitz verloren bzw. aufgegeben haben.
Diesen Personen wurde somit die Staatsangehörigkeit nicht „entzogen“, denn sie hatten sie nie besessen. Ein konkretes Beispiel: Ihr Vorfahre hatte seinen Wohnsitz in Deutschland vor dem 30. Januar 1933 begründet, war danach aber geflüchtet und hatte damit seinen Wohnsitz in Deutschland aufgegeben. Wenn es sich um ein Kind handelte, kann der Wohnsitz auch nach diesem Datum festgestellt worden sein. Sie bzw. ihr Vorfahre hatten daher nicht einmal die Möglichkeit, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen.
Das heißt, dass beispielsweise auch ein Enkel oder Urenkel sich bewerben kann, obwohl der Vorfahre nie die deutsche Staatsbürgerschaft besessen hat.
5. Sind Nachkommen der oben genannten Personen nach § 15 StAG antragsberechtigt?
Ja, auch Nachfahren der in Frage Nr. 3 genannten Personen sind antragsberechtigt. Dazu gehören auch Nachfahren, die vor dem 1. Januar 1977 von anspruchsberechtigten Personen adoptiert wurden. Das Recht auf Einbürgerung nach diesem Abschnitt zielt darauf ab, im Rahmen der Wiedergutmachung Antragsteller in die Lage zu versetzen, die sie ohne den Verlust oder Nichterwerb der Staatsbürgerschaft aufgrund der nationalsozialistischen Verfolgung gehabt hätten.
6. Gibt es nach dem neuen Gesetz Ausschlüsse für die Beantragung der Staatsbürgerschaft?
Bestimmte schwerwiegende strafrechtliche Verurteilung im In- und Ausland können dazu führen, dass der Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht möglich ist. Auch wenn Sie bereits im Rahmen der Wiedergutmachung die deutsche Staatsbürgerschaft erworben, danach aber wieder verloren haben, können Sie keinen Antrag nach §15 StAG stellen. Das gilt nicht, wenn Sie die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem 8. Mai 1945 erworben und vor dem 1. April 1953 durch Heirat mit einem Ausländer oder durch ausländische Legitimation verloren haben.
7. Muss ich Deutsch sprechen und wann erhalte ich die deutsche Staatsbürgerschaft?
Nein. Es muss kein Sprachtest abgelegt werden und Sie erwerben die deutsche Staatsbürgerschaft an dem Tag, an dem das Bundesverwaltungsamt Ihren Antrag bewilligt.
8. Muss ich beim Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft meine bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben?
Nicht unbedingt. Der Verlust oder die Beibehaltung Ihrer bestehenden Staatsbürgerschaft unterliegt dem Recht des Landes Ihrer derzeitigen Staatsbürgerschaft. Sie können gegenwärtige Staatsbürgerschaft behalten, solange das Gesetz des jeweiligen Heimatlands die doppelte oder mehrfache Staatsbürgerschaft zulässt. Ob eine bisherige Staatsangehörigkeit durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit beeinträchtigt wird, müssen Sie vor der Antragstellung mit den zuständigen Behörden des betreffenden Herkunftslands abklären.
9. Ich möchte mich ohne Anwalt bewerben. Ist das in Ordnung?
Es besteht kein Anwaltszwang. Darüber hinaus erkennt Deutschland auch seine historische Verpflichtung zur Wiedergutmachung an. Das Antragsverfahren ist allerdings mit einem hohen Dokumentations- und Papieraufwand verbunden. Alle Unterlagen müssen sorgfältig gesichtet und vollständig eingereicht und die Formulare ausgefüllt werden, damit das Bundesverwaltungsamt eine sachgerechte Entscheidung treffen kann. Auch stellen die Berechtigungskategorien und Stichtage oft Herausforderungen dar und sind mit anderen Gesetzen verflochten. Die Antragstellung ist also kein einfaches Unterfangen.
Wir können feststellen, ob das Verfahren nach § 15 Staatsangehörigkeitsgesetz für Ihre individuelle Situation der geeignete Weg ist. Wir haben jahrzehntelange Erfahrung in komplexen Staatsbürgerschaftsangelegenheiten, der Verwaltungspraxis des Bundesverwaltungsamts und sind mit den verschiedenen Gesetzesänderungen im geschichtlichen und politischen Kontext vertraut.
Diese FAQs stellen die in unserer Anwaltskanzlei die am meisten vorkommenden Fallkonstellationen dar. Jeder Fall ist anders gelagert und die FAQs ersetzten keine Rechtsberatung.

ELLEN VON GEYSO, P.A.
Ellen von Geyso, J.D., LL.M.
Attorney at law - Rechtsanwältin
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